Caritasverband für die Diözese Speyer
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22. Juni 2023

Mit der Rikscha vorbei an Gärten und in die Natur 

Neues Angebot für demente Bewohner des Hauses St. Matthias in Schifferstadt


Mittwoch ist Rikscha-Tag im Haus St. Matthias Schifferstadt, einer Außenstelle des Caritas-Altenzentrums St. Bonifatius. Dann kommt einer der drei ehrenamtlichen Piloten mit der Rikscha des Evangelischen Krankenpflegevereins vorbei und macht Ausflüge mit den Bewohnerinnen und Bewohnern in die nähere Umgebung.

 

„Wenn die Rikscha vor dem Haus ist, ist Party“, sagt Arletta Groß, Fachbereichsleiterin Sozialer Dienst im Haus St. Matthias lachend. Rund die Hälfte der 24 Bewohner sind richtige Rikscha-Fans und warten schon darauf, sich den Fahrtwind um die Nase wehen zu lassen und eine Runde um den Schwanenweiher zu drehen, sich durch den Wald oder die Stadt fahren zu lassen. 


Stephan Dierschke, der Vorsitzende des Evangelischen Krankenpflegevereins Schifferstadt, erzählt, wie der Verein zur Rikscha kam: „Wir bekamen die Anfrage eines engagierten Mitbürgers, ob wir die Organisation und Wartung einer Rikscha übernehmen würden, wenn er uns eine Rikscha spenden würde und sich als erster ehrenamtlicher Fahrer sich einbringen würde.“ Dieses Angebot hat der Verein dankend angenommen und fährt nun aus versicherungstechnischen Gründen im Auf-trag der Protestantischen Kirchengemeinde Schifferstadt. „Wir wollten die Rikscha-Fahrten aber nicht nur Gemeindemitgliedern anbieten, sondern sind offen für jeden“, so Dierschke. So kam es, dass der evangelische Pfarrer Michael Erlenwein auch im Haus St. Matthias nachfragte, ob Interesse an Rikscha-Fahrten für Bewohner bestehe.


Bei Arletta Groß rannte er da buchstäblich offene Türen ein. „Ich habe mich wahn-sinnig gefreut“, erzählt sie. „Toll, dass dieses Angebot auch für Menschen mit Demenz besteht." Im Haus Matthias wohnen 24 Männer und Frauen mit mittelschwerer bis fortgeschrittene Demenz. Sie habe schon länger darüber nachgedacht, wie sie eine Rikscha in die Einrichtung bekommen könnte. Selbst eine zu betreiben, sei aus organisatorischen Gründen nicht möglich. Da kam das Angebot wie gerufen.


Einer der ersten Fahrgäste der Rikscha war der Vater von Nina S., der seit einigen Monaten im Haus St. Matthias wohnt. Früher war er selbst leidenschaftlicher Radfahrer, hat zusammen mit seiner Frau Fahrrad-Urlaube gemacht. Die Passion für das Radeln hat auch seine Tochter Nina geerbt. Die war begeistert, als sie sah, welche Freude es ihrem Vater macht, jetzt als Beifahrer wieder eine Radtour machen zu können. „Ich dachte mir, was ist das denn für ein tolles Projekt? Hier im Haus St. Matthias wird so viel geboten an Aktivierung, da wollte ich mich auch mit einbringen“, erzählt sie. Seitdem ist sie eine der drei Piloten und Pilotinnen der Rikscha, die im Wechsel jeden Mittwoch ins Haus St. Matthias kommen, um kleine Ausflüge mit den Senioren zu machen.

 

Er würde schon auch selbst fahren, lässt Ninas Vater durchblicken, nimmt dann aber neben einer anderen Bewohnerin gerne Platz auf der Bank vorne in der Rikscha. Seine Tochter schnallt die beiden an und klappt den Bügel herunter. „Es war uns wichtig, eine Rikscha mit Bügel zu haben, das gibt Sicherheit“, sagt Dierschke, der mithilft. Die Rikscha sei eine Spezialanfertigung, die für die Fahrt mit maximal zwei erwachsenen Passagieren ausgelegt ist und über einen elektrischen Motor verfügt, der die Tretleistung der Pilotinnen und Piloten nach Bedarf unterstützt, erklärt er. 


Sobald Nina S. in die Pedale tritt, fangen die beiden Fahrgäste an zu lachen und zu winken. Die Leute am Wegrand, an denen sie vorbeikommen, winken ihnen zurück. „Jeder lacht und ist fröhlich, wenn er uns sieht, auch die Autofahrer sind rücksichtsvoll“, erzählt die Rikscha-Pilotin. Für die Senioren ist es ein Erlebnis, erzählt Arletta Groß. Sie freuen sich über die schönen Blumen in den Vorgärten und die Natur. Manche treffen auch alte Bekannte, dann hält Nina S. an für ein Schwätzchen. „Ich frage die Fahrgäste immer, wohin sie möchten“, erzählt sie. Gärten und Wald stehen gerade hoch im Kurs, auch der Friedhof ist ein beliebtes Ziel. „Da wäre es schön, wenn die Rikscha-Piloten einen Schlüssel für das Tor zum Wald bekämen“, sagt Dierschke. Dann könnte die Tour nach dem Besuch auf dem Friedhof gleich direkt im Wald weitergehen. 


Es seien nicht nur das Fahrgefühl und die neuen Eindrücke, die die Rikscha-Ausflüge so schön machen, erklärt Groß. Es ist auch die Nähe, die die Senioren spüren, wenn sie mit ihren Angehörigen oder einer Mitarbeiterin des Hauses in der Rikscha sitzen – denn in der Regel muss eine Begleitperson dabei sein. Die Angehörigen müssen nicht den Rollstuhl schieben, sondern sitzen daneben und können sich unterhaken, sich unterhalten und gemeinsam Dinge entdecken. Manchmal legen sie sogar einen Halt beim Bäcker ein und kaufen ein Stück Kuchen.

 

„Diese menschliche Begegnung in der Rikscha hätte ich mir so intensiv nicht vorgestellt“, sagt Arletta Groß. Schön sei es für die Bewohner auch, mal aus der Gruppe herauszukommen und etwas Eigenes zu machen.
„Diese Freude zu sehen, gibt einem sehr viel zurück“, sagt Nina S., die gerne in ihrer Freizeit Rikscha-Pilotin ist. „Für uns ist das Luxus pur“, sagt Arletta Groß, die das Zeitgeschenk der Ehrenamtlichen zu schätzen weiß. Wenn die Bewohner dann nach der Fahrt fragen „Was kostet das?“, sagt sie „Ein Lächeln“. Gerührt war sie, als eine Bewohnerin dann ihren Glücks-Cent herausholte und ihn dem Rikscha-Piloten schenkte. 


Text und Fotos: Dr. Christine Kraus für den Caritasverband für die Diözese Speyer
Bildunterschrift: 
Bild 2: Nina S. verschließt den Bügel, damit es gleich losgehen kann für ihre zwei Fahrgäste. 
Bild 3: Stephan Dierschke und Nina S. mit zwei Fahrgästen.
Bild 4: Das Ehepaar Magin wartet an der Rikscha-Haltestelle auf seine Fahrt.
Bild 5: Unterwegs wird gewunken: Nina S. mit ihren Fahrgästen.
Bild 6, 7und 8: Die Bundesfreiwilligendienstlerin Helen Ohnheiser mit einer Bewohnerin in der Rikscha mit Fahrerin Nina S.