Caritasverband für die Diözese Speyer
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06. Juni 2025

„Wie ein Baum, an dem immer neue Äste wachsen“

100 Jahre Caritas-Zentrum: Der Mensch immer im Fokus – Armut und Ungleichheit wachsen und sind eine Gefahr für die Demokratie

 

Das Caritas-Zentrum Saarpfalz feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Tatsächlich ist die Einrichtung sogar noch älter – ihre Wurzeln liegen nicht in Homburg, sondern in St. Ingbert. Einrichtungsleiter Andreas Heinz blickt zurück auf die Geschichte, die Gegenwart und die Herausforderungen der Zukunft.

 

„Die Aufgaben sind über die Jahrzehnte immer vielfältiger geworden“, sagt Andreas Heinz. Der Ursprung des Caritas-Zentrums Saarpfalz liegt im Jahr 1925 in St. Ingbert, als dort der erste hauptamtliche Mitarbeiter seinen Dienst aufnahm. „Es gab zuvor schon einen Ehrenamtlichen, aber wir betrachten den ersten hauptamtlichen Mitarbeiter als offiziellen Startpunkt.“ Die Aufgabenbereiche der Caritas waren damals noch überschaubar – jedoch nicht weniger wichtig: Unterstützung bei der Integration, Kindererholungsfürsorge, materielle Hilfen in Form von Kleidung und Lebensmitteln sowie Hilfe für Wohnungslose.

 

Gerade in den späten 1920er- und frühen 1930er-Jahren war laut Heinz die materielle Hilfe besonders stark gefragt. Die Integrationshilfe richtete sich damals in erster Linie an heimkehrende Soldaten – der Erste Weltkrieg lag nur wenige Jahre zurück. Zwischen 1933 und 1945 kam die Wohlfahrtspflege nahezu vollständig zum Erliegen – bedingt durch die Einflüsse des Nationalsozialismus. Die Caritas konnte Menschen nur noch im Rahmen kirchlicher Pfarreien unterstützen. Nach dem Krieg entstand aus der Homburger Pfarr-Caritasgruppe St. Michael der Caritas-Standort Homburg. Die Not war groß: Obdachlosigkeit, Hilfegesuche und lange Schlangen vor den Suppenküchen prägten das Bild. Die Suppenküche in St. Hildegard war laut Heinz sogar noch bis in die 1950er-Jahre in Betrieb.

 

Mit dem Wiederaufbau besserte sich die Wohnraumsituation – doch das Caritas-Zentrum hatte keineswegs weniger zu tun. „Das ist wie ein Baum, an dem ständig neue Äste wachsen“, beschreibt Heinz die Entwicklung. Zwischen 1960 und 1976 wurde eine Tagesstätte für Menschen mit Behinderung in St. Ingbert eröffnet, hinzu kamen eine Suchthilfeberatung, Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung sowie das Angebot „Essen auf Rädern“. Zwischen 1976 und der Jahrtausendwende wuchs das Angebot weiter: Schwangerschaftsberatung, Ausbau der Behindertenhilfe, Altenzentren, Dienste für psychisch Erkrankte, Schul- und Familienhilfen, Schuldnerberatung und Asylberatung kamen hinzu.

 

Ein besonderer Meilenstein war 1997 die Eröffnung des „Treff em Gässje“ in St. Ingbert – ein Tagestreff für von Armut und Wohnungslosigkeit Betroffene, der bis heute ein Erfolgsmodell ist. Diese Einrichtung soll nun als Vorbild für einen ähnlichen Treffpunkt im ehemaligen Pfarrheim der Homburger Kirche St. Michael dienen – laut Heinz ein zukunftsweisendes Projekt.

 

Andreas Heinz leitet das Caritas-Zentrum Saarpfalz seit 13 Jahren. „Und all diese Jahre waren von Krisen geprägt.“ In genau diesen Krisen sei die Caritas zur Stelle gewesen, habe geholfen und ihr Angebot erweitert. Besonders prägend war die syrische Flüchtlingskrise: „Wir wurden regelrecht überflutet“, erinnert sich Heinz. Damals arbeiteten zwei Mitarbeitende in der Migrationsberatung – das Team wurde auf zehn Personen aufgestockt. „Es haben sich aufgrund des immensen Bedarfs in der Region zehn Vereine für ehrenamtliche Flüchtlingshilfe gegründet.“

 

Dann kam 2020 die Corona-Pandemie. „Die Behörden waren zeitweise geschlossen. Wir als Caritas haben so lange wie möglich weitergemacht.“ Im Frühjahr 2022 folgte der Krieg in der Ukraine. Dieser brachte nicht nur eine neue Flüchtlingswelle, sondern stellte viele Menschen im Saarpfalz-Kreis durch die Energiekrise und steigende Lebenshaltungskosten vor große finanzielle Schwierigkeiten. Mit Blick auf die Zukunft sieht Heinz keine Entlastung – im Gegenteil. „Die Armut wächst, die Schere zwischen Arm und Reich wird größer. Und die Betroffenen wenden sich in ihrer Not an uns.“ Die Zahl der Wohnungslosen steigt, ebenso die Nachfrage nach sozialer Beratung.

 

In Schulen und Familien werde zunehmend Betreuung benötigt, und auch gesellschaftlich sieht Heinz wachsende Herausforderungen: „Plötzlich ist das Thema Demokratie wieder wichtig.“ Viele Menschen seien verunsichert und voller Angst. „Da kann Caritas helfen. Die Menschen suchen Halt – wir sind eine Anlaufstelle.“ Die finanzielle und materielle Not bleibt eine zentrale Aufgabe. Zudem muss die Caritas weiterhin Geflüchtete bei der Integration und psychischen Stabilisierung unterstützen.

 

Auch der demografische Wandel stellt neue Anforderungen: „Unser Hospizdienst wird wachsen, und wir müssen unsere Seniorenberatung ausbauen. In Homburg braucht es – wie in St. Ingbert – ein Seniorenmobil.“ Gleichzeitig sollen Kinder und Jugendliche besser im Umgang mit digitalen Medien geschult werden. Sie müssten die digitale Welt verstehen, aber auch die reale Welt erleben und ihre Kreativität entfalten können, so Heinz.

 

Das Caritas-Zentrum ist eine feste Stütze in der Saarpfalz. Die Zusammenarbeit mit dem Landkreis, den Städten und Gemeinden funktioniert laut Heinz sehr gut – das Hilfsnetzwerk sei stark. Und dennoch betont er: „Caritas wird nie ein staatlicher Betrieb. Wir gehören zur Kirche.“

 

Text und Foto: Paul. H. Kreiner für den Caritasverband für die Diözese Speyer