Caritasverband für die Diözese Speyer
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05. Mai 2023

„Was braucht es für ein gutes Leben?“

Ehrenamtliche der Caritas beschäftigen sich mit Armut – Beraterinnen und Berater der Caritas-Zentren stellen ihre Arbeit bei Jahresversammlung vor


Speeddating war beim Forum Caritas-Ehrenamt (FCE) am Samstag am Wallfahrts-ort Maria Rosenberg angesagt. Was Singles möglicherweise kennen, wenn sie schon mal auf Partnersuche waren, war für viele der 35 Teilnehmenden der FCE-Jahreshauptversammlung eine neue Erfahrung. Ums Kennenlernen ging es dabei auch. Hauptamtliche Mitarbeitende des Caritasverbandes und caritativ engagierte Ehrenamtliche, die sich für Menschen in Not und Armut engagieren, konnten in Kontakt kommen und sich austauschen. 


Bewusst habe man sich für diese Form des Kennenlernens entschieden, sagte Stefanie Horn-Wolniewicz, die Referentin für Gemeindecaritas und Engagementförderung beim Caritasverband für die Diözese Speyer. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Lukas Buschbacher wollte sie mit den Teilnehmenden über die vielen Facetten von Armut ins Gespräch kommen. Aber auch Danke sagen für das Engagement der Menschen, die sich für andere Menschen einsetzen. Es wurde erarbeitet, was jede und jeder Einzelne tun kann, um Menschen zu helfen. Es wurde aber auch deutlich, dass, wo die persönliche Hilfe an Grenzen stößt, Systemwissen und Expertise aus der Beratungslandschaft der Caritas gefragt ist. 


„Gelangen Sie als Ehrenamtliche an diesen Punkt“, unterstrichen Horn-Wolniewicz und Buschbacher, „sind die Profis, die Fachberater und -beraterinnen bei den Caritas-Zentren, die richtigen Ansprechpartner. Geben Sie betroffenen Menschen die Kontaktdaten der Beratungsstellen weiter.“ Diese könnten in sehr vielen Fällen helfen, sagte Horn-Wolniewicz. Damit die Ehrenamtlichen ein Gefühl dafür bekommen, an welche Fachberater sie verweisen können, wurde das Speed-Dating arrangiert. „Eine tolle Sache. Der gegenseitige Austausch tut allen gut“, sagte Marius Wingerter, beim Bischöflichen Ordinariat zuständig für die Gemeindecaritas.


Aus verschiedenen Caritas-Zentren waren Beraterinnen und Berater gekommen. Die Bandbreite der Hilfe, die in den Zentren angeboten wird, wurde in den Speed-Dating-Runden vom jeweiligen Fachbereich erläutert. Zum Einstieg wurde jeweils ein Statement zu „Unter gleichberechtigter Teilhabe verstehe ich in meinem Fachbereich …!“ formuliert. Acht Gruppen bildeten sich, und an den acht Gruppenplätzen stellten die Fachberater sich und ihre Arbeit, bei der sie immer wieder mit dem Thema Armut konfrontiert sind, im schnellen Wechsel vor: Ehe-, Erziehungs- und Lebensberatung, allgemeine Sozialberatung, Kinderschutzdienst, Migrations- und Integrationsberatung, Gemeindecaritas, Schuldnerberatung, Schwangerschafts- und Suchtberatung sind die Bereiche, in denen die Fachberaterinnen und Fachberater tätig sind. Die Ehrenamtlichen stellten viele Fragen. Es entwickelten sich lebhafte Diskussionen.


„Armut ist nicht Gott gegeben“, sagte Lukas Buschbacher. „Armut bekämpfen bedeutet im Prinzip, gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Die entscheidende Frage ist dann: Wie?“ Um Antworten auf diese Frage zu finden, waren die 35 An-wesenden aufgefordert, zu überlegen, was es für ein gutes Leben überhaupt braucht. Es stellte sich schnell heraus, dass von den Teilnehmenden hier vor allem Begriffe wie Offenheit, Geduld, Freude, Gemeinschaft, Anerkennung und soziale Kontakte genannt wurden. Alles Begriffe, die in der Bedürfnispyramide weit oben angesiedelt seien. „Warum ist das so?“, fragte Buschbacher. Die Antwort sei: „Weil es uns zum Glück allen gut geht“. Von den Anwesenden müsse sich niemand Gedanken über vorgelagerte Bedürfnisse machen wie: „Habe ich genug zu essen, habe ich ein Dach über dem Kopf, lebe ich sicher? Das ist für viele selbstverständlich. Aber für von Armut betroffene Menschen eben nicht.“


Armut sei eine Lebenslage, und Gruppen, die stark von Armut betroffen sein können, sind in Deutschland Rentnerinnen, Kinder und Jugendliche, Alleinerziehende oder Familien mit mehr als drei Kindern. „Armut“, so erläuterte Buschbacher, „gehe aber immer mit einem Gefühl des Mangels einher – einem Gefühl von mangelnder Teilhabe und Ausgrenzung“. Was Armut bedeutet, verdeutlichte Buschbacher, indem er Aussagen von von Armut betroffenen Menschen in den Raum stellte, die deutlich machten, dass es Menschen gibt, die sich über ein Jahr lang keinen neuen Kühlschrank leisten konnten. Die Angst vor jeder Reparatur haben, weil sie sie nicht bezahlen können. Die ihre sozialen Kontakte abbrechen, weil sie sich schämen, beispielsweise keine Geburtstagsgeschenke machen zu können.


Das ließ bei manchem Ehrenamtlichen selbst gemachte Erfahrungen in neuem Licht erscheinen. Dass ein Obdachloser eine angebotene Jacke nicht angenommen habe, habe wohl mit Scham zu tun gehabt. Auch dass Menschen, die man bewusst aktivieren wolle an Veranstaltungen teilzunehmen, nicht kommen, sei oft der Angst geschuldet, dass über sie geredet werde.


Horn-Wolniewicz ging auch auf die Caritas-Jahreskampagne mit Frontfrau Jenny ein: „Für Klimaschutz, der allen nutzt“, lautet das Motto, das ganz eng mit dem Thema Armut und sozialer Gerechtigkeit verknüpft ist. Gefordert werden zum Bei-spiel Busse für weniger Geld oder Wärmedämmung auch in günstigen Mietwohnungen. Das wären Lösungen für Probleme, mit denen auch Menschen aus dem Bereich der Diözese Speyer konfrontiert sind.


Um strukturiert ein caritatives Ehrenamt ausüben zu können, gibt es Einrichtungen wie das FCE, das ein Leitungsteam braucht, um zielgerichtet arbeiten und den Ehrenamtlichen eine Stimme in vielen Gremien geben zu können. „Ehrenamt ist wichtig, damit der Funke überspringt“, sagte Manfred Traub. Der Vorsitzende des FCE wünscht sich in diesem Zusammenhang, dass der eingeschlagene synodale Weg helfen kann, die Verfehlungen in einigen Bistümern aufzuarbeiten, damit der Abwärtstrend bei der Bedeutung der Religion aufgefangen werden könne. Das wäre wichtig, um Menschen für die Mitarbeit bei der Caritas zu begeistern.

 

Manfred Traub (Hochstadt), seine bisherigen Vorstandskollegen Karl-Heinz Ochs (Otterbach) und Christine Stolle (Kusel) wurden für vier weitere Jahre als FCE-Vorstände gewählt. Rita Merkel und Elisabeth Reis, die sich jahrelang engagiert hatten, kandidierten nicht mehr. Nachfolger fanden sich vorerst nicht. Nachwahlen sind bis zum Ende der Wahlperiode in vier Jahre jederzeit möglich. Interessierte Menschen sind auch zum Schnuppern herzlich willkommen.

 

Text und Fotos: Andrea Daum

Bildunterschrift:
Cari 4 und 6:

Christine Stoll, Manfred Traub und Karl-Heinz Ochs gehören für vier weitere Jahre dem Vorstand des Forum Caritas-Ehrenamt an. Sie würden sich über Zuwachs im Vorstandsteam freuen.

 

Cari 1,2,3,5:

Schnelle Kennenlernrunde, neudeutsch Speed-Dating, war ein Programmpunkt bei der Jahreshauptversammlung des Forum Caritas-Ehrenamt. Ehrenamtlich engagierte Caritäter und hauptamtliche Fachberater aus verschiedenen Caritas-Zentren lernten sich kennen, um künftig gemeinsam Menschen zu helfen, die von Armut bedroht sind.

 

Cari 9:
Sozial gerechter Klimaschutz nützt allen, macht die Caritas mit Frontfrau Jenny in ihrer aktuellen Jahreskampagne deutlich. Jenny durfte bei der Jahreshauptversammlung des Forum Caritas-Ehrenamt natürlich nicht fehlen. Dort ging es um das Thema Armut.

 

Cari 7:
Was ist Armut, was macht ein Leben lebenswert, worauf würde ich nicht verzichten wollen und was würde es für mich bedeuten, wenn ich auf etwas verzichten müsste. Mit diesen und vielen weiteren Fragen sensibilisierten Stefanie Horn-Wolniewicz und Lukas Buschbacher die Teilnehmer des Jahreshauptversammlung des Forum Caritas-Ehrenamt.