Caritasverband für die Diözese Speyer
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Caritas-Zentrum Landau diskutiert mit Kommunalpolitikern über die politische Beteiligung armutserfahrener Menschen
Es muss mehr miteinander gesprochen werden. Das war das Fazit eines Begegnungsfrühstücks von Menschen mit Armutserfahrung und Kommunalpolitikern. Am 30. Oktober trafen sich armutsbetroffene BürgerInnen mit Landaus Oberbürgermeister Dr. Geißler, dem Ersten Kreisbeigeordneten Georg Kern, Vertretern der größten Fraktionen des Landauer Stadtrats und des Kreistags Südliche Weinstraße im Pfarrheim Heilig-Kreuz in Landau. Das Caritas-Zentrum Landau hatte im Rahmen der Armutswochen des Deutschen Caritasverbandes zu diesem Treffen eingeladen.
Während der Armutswochen machten Einrichtungen von Caritas, SkF und SKM deutschlandweit auf einen Aspekt von Armut aufmerksam. Den Gästen aus der Stadt- und Kreisverwaltung und der Kommunalpolitik saßen Menschen gegenüber, die von ihren eigenen, ganz persönlichen Armutserfahrungen berichteten. Sie wollten sich über die Möglichkeiten politischer Teilhabe für armutserfahrene Menschen austauschen. So vertraten sie an diesem Vormittag nicht nur sich selbst, sondern alle Menschen, die in Armut leben oder von Armut bedroht sind. Da trifft auf rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung zu.
Das Motto der Jahreskampagne des Deutschen Caritasverbandes ist in diesem Jahr „Frieden beginnt bei mir“. Dementsprechend formulierte das Caritas-Zentrum den Titel des Gesprächs „Frieden beginnt beim Zuhören“. Die Gäste aus der Kommunalpolitik hörten auch den ausführlichen Erzählungen der armutsbetroffenen Menschen zu. So verschieden diese ausfielen, waren dennoch deutliche Parallelen erkennbar: Armut ist häufig die Folge einschneidender (Lebens-)Ereignisse und/oder Erkrankungen. Der größte Risikofaktor für Armut ist Arbeitslosigkeit.
Die Gäste mit Armutserfahrung erzählten, wie schwere Schicksalsschläge und plötzliche Erkrankungen bedeuteten, dass sie ihrem gewohnten Alltag und ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen konnten. Die eingeschränkte Erwerbsfähigkeit führ-te zu veränderten Einkommensverhältnissen und häufig wirkte sich die gesundheitliche Situation nachhaltig auf den Karriereweg und das gesamte weitere (Berufs-)Leben aus.
Ein weiterer Risikofaktor ist die familiäre Situation. Besonders Alleinerziehende und kinderreiche Familien sind häufig von Armut betroffen oder gefährdet. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, niedrige Löhne, unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten und magere staatliche Hilfen bedeuten für diese Gruppen besondere Hemmnisse.
Weiter wurde der politische Umgang mit Armut thematisiert. Das Sozialstaatsprinzip, welches durch Artikel 20 und 28 im Grundgesetz verankert ist, verpflichtet den Gesetzgeber dazu, sich um soziale Gerechtigkeit und die soziale Sicherung seiner Bürgerinnen und Bürger zu kümmern. Die Art und Weise, wie zuletzt – auch innerhalb der Bundesregierung – über Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen, vor allem von Bürgergeld, gesprochen und berichtet wurde, verstärkt nur das Gefühl von Ausgrenzung und einer fehlenden Lobby. Diese negative Haltung gegenüber Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind und diese rechtmäßig in Anspruch nehmen, kommt auch immer mehr in der breiten Bevölkerung an.
Es ist kein neues Phänomen, dass Personen, die von Armut betroffen sind, sich isoliert fühlen. So kann es schnell zu einer finanziellen Herausforderung werden, wenn die Freunde sich im Café treffen. Oder man erfährt Ablehnung, wenn eine neue Bekanntschaft erstmal fragt: „Und, was machst du so beruflich?“ Wer diese Frage mit „nichts“ beantwortet, bekommt als Reaktion häufig eine plötzliche Distanz zu spüren. Die Gründe warum werden nur selten hinterfragt.
Um Einfluss darauf zu nehmen, wie über Menschen, die in Armut leben gesprochen wird, und welche Politik für sie gemacht wird, konnten sich einige der Gäste vorstellen, sich politisch zu beteiligen. Doch auch hier liegen Probleme: Eine alleinerziehende Frau, die in Teilzeit arbeitet, hat einfach nicht die Zeit und die Unterstützung eines umfassenden Helferinnen- und Helfernetzwerks, die es für eine solche Aufgabe erfordern würde. Andere können sich einfach mit keinen etablierten Parteien identifizieren, von denen sie sich seit Jahren vergessen, vernachlässigt und enttäuscht fühlten.
Nach den Erfahrungsberichten meldeten sich die Gäste aus der Kommunalpolitik zu Wort. Einige waren sichtlich bewegt. Alle bedankten sich für das Engagement und den Mut, so offen über teils sehr leidvolle Erfahrungen zu berichten. Das sei politische Beteiligung. Alle waren sich einig darüber: Es muss mehr miteinander gesprochen werden. Es muss mehr aufgeklärt werden. Und es muss mehr getan werden, um Armut zu bekämpfen. Auch, um den sublimeren Herausforderungen besser zu begegnen.
Es bestand ein großes Interesse daran, den Austausch fortzusetzen, denn die Zeit reichte nicht, um alle Themen erschöpfend zur Sprache zu bringen. Dennoch wurde mit dem Begegnungsfrühstück ein sehr wichtiges Ziel erreicht: Menschen, die (politisch) nicht ausreichend gehört und vertreten werden, konnten über ihre Erfahrungen, ihren Frust und ihre Wünsche sprechen. Und sie wurden gehört. Dies – so die Rückmeldung – wurde als äußerst wertvoll und gewinnbringend er-lebt. Möglicherweise folgt der ein oder andere Gast der Einladung aus der Kommunalpolitik, sich in einer Fraktion im Stadtrat oder Kreistag einzubringen und die eigenen Erfahrungen zu nutzen, um politische Prozesse im Sinne der Bedarfe und Bedürfnisse von armutserfahrenen Menschen mitzugestalten.
Steffen Mather, Berater in der Allgemeinen Sozialberatung und der Wohnungslosenhilfe am Caritas-Zentrum Landau: „Mit dem Begegnungsfrühstück wollten wir ein Zeichen setzen und Menschen zu Wort kommen lassen, deren Stimmen von Gesellschaft und Politik zu selten gehört werden“, so Mather. „Wir erleben zunehmend, wie sich Vorurteile verbreiten und festigen. Seit Monaten wird darüber debattiert, wie Sozialausgaben gesenkt werden können. Stattdessen sollten wir hinterfragen, was an diesen Vorurteilen dran ist.“ Er mahnte: „Wir sollten überprüfen, ob unsere Sozialausgaben überhaupt dort ankommen, wo sie tatsächlich benötigt werden. Und um dies zu tun – egal, ob auf zwischenmenschlicher oder politischer Ebene – sollten wir uns anhören, was Menschen dazu zu sagen haben, deren Lebenswirklichkeit von Armut geprägt war oder geprägt ist.“ Der Sozialarbeiter betonte: „Ein gelingenderer Umgang mit Armut muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden. Und es gibt niemanden, der mit wertvolleren Erfahrungen zu diesem Prozess beitragen kann, als armutserfahrene Menschen.“
Text und Foto: Caritas-Zentrum Landau