Caritasverband für die Diözese Speyer
Nikolaus-von-Weis-Straße 6
67346 Speyer

Telefon: 06232 / 209-0
info@caritas-speyer.de

20. September 2022

Ums Hütchen rum mit 1,3 Promille  

Suchtberatung und Selbsthilfe informieren über Risiken beim Alkoholkonsum 

 

Die Suchtberatungsstelle des Caritas-Zentrums Germersheim und der Kreuzbund haben im Rahmen der „Woche der Caritas“ zu einer Präventionsaktion zum Thema Alkohol vor dem Haus der Familie in Germersheim eingeladen. „Das machen wir gemeinsam“ ist das Motto der Caritas-Kampagne 2022. Deshalb war es für Michael Manz, seinen Kollegen Dirk Schneider, beide von der Caritas-Suchtberatung in Germersheim und ihre Wörther Kollegin Susanne Döhlemann klar, dass die Aktion gemeinsam mit dem Kreuzbund stattfinden sollte. 

Der Kreuzbund ist eine Selbsthilfe-Gruppe für alkoholkranke Menschen und ein eigenständiger Fachverband der Caritas-Familie. „Wir arbeiten viel zusammen, tauschen uns regelmäßig aus und vermitteln uns auch gegenseitig Kunden“, erklärt Manz. Denn Beratung und Selbsthilfe würden sich sehr gut ergänzen. 
Bei dem Präventionstag ging es zwar schon darum, auf die Gefahren des Alkoholkonsums aufmerksam zu machen, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern eher sportlich, wie Manz es ausdrückt. Da kommen die beiden Brillen in Spiel, die Alois König und Andreas Olschewski, die Gruppenleiter des Kreuzbund Germersheim, einer Passantin zeigen und fragen: „Womit möchten Sie anfangen, 0,8 oder 1,3 Promille?“ Die Frage ist keine Aufforderung zum Betrinken. Eine Rauschbrille versetzt die Besucher des Präventionsstandes innerhalb von Sekunden in den Zu-stand eines Betrunkenen, ganz ohne einen Tropfen Alkohol. Isabelle Brandstetter, die mit Hund Salim den Selbstversuch wagt, entscheidet sich erst einmal für die 0,8 Promille und erschrickt: „Da wird einem ja echt schlecht“, stellt sie fest. Ein leichtes Schwindelgefühl setzt ein, die Sicht ist getrübt und die Position des ersten Hütchens, das den Slalom-Parcours markiert, den Brandstetter jetzt absolvieren soll, ist nicht so ganz eindeutig. Die junge Frau stößt an eines der Hütchen, macht Aus-gleichschritte zur Seite, torkelt ein bisschen. Salim guckt irritiert, als sein Frauchen versucht, ihn ebenfalls um die Hütchen zu führen. Geschafft, doch die beiden brauchen erst mal eine Pause. „Das sollen nur 0,8 Promille sein?“, fragt sie. Die Auswirkung sei doch enorm gewesen. Weiter geht’s mit der 1,3 Promille Rauschbrille, durch die man auch noch doppelt sieht. Hund und Frauchen absolvieren den Parcours ein zweites Mal. Als Brandstetter einen Kugelschreiber aufheben soll, greift sie erst ein paar Mal daneben, denn sie sieht ja zwei davon. Oder wie es eine andere Passantin ausdrückt: „So viele Hände und Füße, die stehen ja neben einem. Das ist echt fies“. Olschewski und König stehen daneben und lächeln. „Es ist ein gutes Zeichen, wenn sie torkeln“, erklären sie. Denn wer regelmäßig viel Alkohol trinkt und an solche Zustände gewöhnt ist, tut sich viel leichter mit dem Parcours. „Dieser Versuch zeigt, was eine Alkoholisierung, die man als noch gar nicht einmal so gravierend ansieht, schon anrichtet“, erklärt Manz. Auch wenn die Teilnehmer über ihre Ungeschicklichkeit lachen und Spaß an der Aktion haben, stimmt es sie doch nachdenklich. 
Hilfe bei einem der Berater hat an diesem Tag keiner der Passanten gesucht. Das haben Manz und Kollegen auch gar nicht erwartet. Wenn es sich ergeben hätte und ein Gespräch in diese Richtung gegangen wäre, wären sie natürlich bereit gewesen. Doch in erster Linie ging es ihnen darum, wahrgenommen zu werden, zu zeigen, dass die Caritas auch Suchtberatung anbietet. „Wenn jemand Bedarf hat, kommt er auf uns zu. Doch es ist ein großer Schritt, sich selbst einzugestehen, dass man alkoholabhängig ist und es allein nicht hinbekommt“, weiß Manz. Leider kämen überhaupt nur fünf bis acht Prozent der Suchtkranken im Hilfesystem an. Wie wichtig Beratung ist, zeigt, dass 90 Prozent der alkoholabhängigen Menschen, die ausschließlich eine Entgiftung machen, wieder rückfällig werden. 
Dass man auch ohne Alkohol leckere Cocktails machen kann, zeigen Susanne Döhlemann und die Auszubildende Selin Akkus. Die beiden mixen aus Säften, Sirup, frischem Obst und Kräutern exotische Cocktails, die bei den Passanten gut ankommen. Nicht jeder traut sich, die Rauschbrille aufzusetzen, aber ein Cocktail geht immer.
Als der Caritas-Bus schließlich nach 13 Uhr ankam, waren die meisten Besucher schon wieder weg. Fotobox und andere Requisiten blieben daher dieses Mal im Bus verstaut. 

 

Text und Fotos: Dr. Christine Kraus für den Caritasverband für die Diözese Speyer
Bildunterschrift: 
Bild 1 bis 3: Isabelle Brandstetter und Hund Salim absolvieren den Parcours mit Rauschbrille. Auf Bild 3 wird klar, wie schwer es in diesem Zustand ist, einen kleinen Gegenstand, wie einen Kugelschreiber aufzuheben.
Bild 4: Die Rauschbrillen
Bild 5 bis 8: Selin Akkus und Susanne Döhlemann mixen alkoholfreie Cocktails
Bild Header: Alois König und Andreas Olschewski vom Kreuzbund mit Rauschbrillen.