Caritasverband für die Diözese Speyer
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01. Dezember 2022

„Kunstnachmittage sind Tage mit Goldrand“  

Künstlerin Ute Speyerer-Gauda malt mit den Bewohnern des Caritas-Altenzentrums St. Hedwig – Motive passend zu den Jahreszeiten

 

Bilder machen das Leben bunter. Das erleben Bewohnerinnen und Bewohner des Caritas-Altenzentrums St. Hedwig in Kaiserslautern beim wöchentlichen Kunst-nachmittag. Dann greifen sie zu Stift oder Pinsel und lassen ihre Ideen aufs Papier fließen. Ihnen zur Seite steht Ute Speyerer-Gauda. Sie betreibt in der Stadt die Kunstwerkstatt Kritzel Kratzel und ist eine Frau vom Fach.
 
Mittwoch, kurz nach 14.30 Uhr. Im Wohnbereich „Sonnenallee“ herrscht ungewohnte Stille. Es ist die Zeit der Kreativität. Die Köpfe über ein weißes Blatt gebeugt, arbeiten sechs Frauen und ein Mann konzentriert. Auf dem Tisch blühen Weihnachts-sterne, dazwischen liegen Granatäpfel und Filzsterne. Alles in adventlichem Rot und Motive, die an diesem Tag zur Wahl stehen. „Ich überlege mir immer der Jahreszeit entsprechend ein Thema“, sagt Ute Speyerer-Gauda. „Aber niemand muss sich zwingend daran halten. Wer etwas anderes malen möchte, kann das natürlich tun.“ So wie der einzelne Herr der Gruppe. Mit Bleistift und feinen Strichen zeichnet er einen spitz zulaufenden Turm. „Herr B. hat eine Vorliebe für Gebäude. Deshalb wird er in der Gruppe auch gern „unser Architekt“ genannt. Zur Inspiration bringe ich ihm Bücher mit Bauwerken mit.  Aber er hat auch seine eigenen Ideen, die oft mit seiner Biographie zu tun haben. So lässt er Häuser aus seinem Heimatdorf oder einem Ferienort entstehen.“  


Frau L. sei die Farbenfrohe in der Gruppe. Allerdings brauche sie eine Kontur auf dem Papier, um zu beginnen. „Sie benutzt am liebsten Ölkreide. Ihre Bilder erinnern mich an den Künstler Leon Löwentraud, den ich auf der Kunstmesse in Köln gesehen habe. Sie könnten sich gut unter den jungen Wilden einreihen“, sagt Speyerer-Gauda.  Wie die meisten aus der Gruppe sei Frau L. von Demenz betroffen. Und zwar so stark, dass die Kunstnachmittage immer wieder Neuland für sie seien. 
Ganz anders Paulette Mack, die trotz ihrer 98 Jahre nichts von ihrer geistigen Fitness eingebüßt hat. Sie habe ein ausgeprägtes Gespür für Farben, dem sie mit Aquarellfarben Ausdruck verleiht. An diesem Tag hat sie sich einen halbierten Granatapfel als Motiv ausgesucht und inspiziert genau sein Inneres. Eine Frau, die sehr belesen und an allem interessiert sei, sagt die Leiterin der kreativen Runde. „Sie bezeichnet unsere Kunstnachmittage als Tage mit Goldrand.“


Jeder der Gruppe bringt seine eigene Biographie und Persönlichkeit mit. „Deshalb ist es für mich wichtig, die Menschen kennenzulernen, mit ihnen vertraut zu werden und ihre Fähigkeiten einzuschätzen.“ Ihren Anfang nahmen die Kunsttreffs aus einem persönlichen Hintergrund heraus. „Meine Mutter war hier in St. Hedwig. Ich habe Farben mitgebracht und wir haben zusammen gemalt. Nach und nach haben sich uns andere angeschlossen“, erzählt Ute Speyerer-Gauda. „So entstand der Kunstvormittag, den ich mittlerweile auf den Nachmittag verlegt habe, weil morgens viele Bewegungsangebote stattfinden, die ja sehr wichtig für die Senioren sind. “
Doch dann hat die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns, Abstands- und Vorsichtsregeln die regelmäßigen Zusammenkünfte durchkreuzt. Umso so schöner sei es, dass sie jetzt wieder möglich sind und sich eine neue Gruppe zusammengefunden hat. „Sie ist zwar kleiner als zuvor, aber ich erlebe sie dafür umso intensiver. Allerdings ist ein ständiger Wechsel an der Tagesordnung. Manche werden krank oder verlieren die Fähigkeiten, an dem Kunstnachmittag teilzunehmen. Andere sind als Gäste in der Kurzeitpflege bald wieder weg. Und der Tod gehört in einem Seniorenheim eben auch dazu.“


Die wöchentlichen Zusammenkünfte sind der Kunsthandwerkerin ein Herzensanliegen, in das sie viel Zeit investiert – mit Vor- und Nachbereitung etwa fünf bis sechs Stunden. „Ich komme etwa 90 Minuten vor Beginn um 14.30 Uhr, um alles so zu richten, wie ich es möchte.“ Meist sei sie bepackt wie ein Esel, sagt Speyerer-Gauda, mit Büchern, Zweigen, Blumen, Obst oder auch Gemüse. „Mir ist es wichtig, dass wir uns am Kreislauf der Jahreszeiten und an der Natur orientieren und dass die Anschauungsobjekte alle Sinne ansprechen. Die Senioren sollen sie befühlen und ihren Duft erschnuppern können.“


Und so bilden die entstandenen Werke, die sich an der Wand reihen, jede Saison des Jahres ab. Von Schneeglöckchen über Tulpen und Sonnenblumen bis hin zu Stechpalmenzweigen. 
Während die aktuellen Bilder mehr und mehr Gestalt annehmen, kommt immer mal wieder jemand vorbei und schaut der kreativen Runde über die Schulter. Auch Jutta Asal von Wuthenau, die Leiterin des Hauses, stattet der Gruppe einen Besuch ab. „Ich finde es toll, was sich Ute Speyerer-Gauda jedes Mal einfallen lässt und was unsere Bewohner und Bewohnerinnen künstlerisch zustande bringen. Das ist eine wunderbare Bereicherung unserer Angebote.“
Bereichert fühlt sich auch die Initiatorin der Kunstnachmittage. „Es ist eine Freude, mit der Gruppe zu arbeiten. Unsere gemeinsame Zeit ist sehr wertvoll, und ich kann viel lernen von diesen Menschen, die zum Teil kurz vor dem 100. Geburtstag stehen.“

 

Text und Fotos: Friederike Jung für den Caritasverband für die Diözese Speyer