Caritasverband für die Diözese Speyer
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03. Januar 2023

„Wir können uns gegenseitig viel geben, wenn wir die Ängste voreinander abbauen“

 

Mit „Mach was!“-Sonderpreis „Integration“ ausgezeichneter Syrer Ali Alhammoud findet mit Bundesfreiwilligendienst in Landau auch beruflich einen neuen Weg.

 

Ali Alhammouds Optimismus ist ansteckend. Obwohl er vor acht Jahren in seiner Heimat vor dem Nichts stand, Syrien verließ und über die Türkei, das Mittelmeer, Griechenland und Ungarn schließlich 2015 nach Deutschland kam, ohne das Land und dessen Sprache zu kennen, hat der heute 29-Jährige sich den Optimismus bewahrt oder besser: zurückerobert. Denn er war zwischendurch auch  gefangen, in dicken Mauern wie in Verzweiflung, erzählt er. Er hat Deutschland und Landau, wo er jetzt wohnt, als eine neue, gute Heimat ins Herz geschlossen, und sich von Anfang an aktiv um Intergration bemüht - seine eigene und die derjenigen, die sein Schicksal teilen. Sein vielfältiges Engagement hat ihn 2021 auch zum Bundesfreiwilligendienst (BFD) geführt, bei dem er vom Referat für Freiwilligendienste im Caritasverband für die Diözese Speyer betreut wurde. Für die Initiative zu einer Kulturen übergreifenden Aktion, die er während dieses halbjährigen Dienstes beim Katholischen Jugendwerk St. Josef in Landau-Queichheim entwickelte, wurde er im November mit dem Sonderpreis „Integration“ im Rahmen des 2022 erstmals vergebenen „Mach was! Preis der Lotto-Stiftung für besonderes Engagement in den Freiwilligendiensten“ ausgezeichnet.  Vergeben wurde der Sonderpreis „Integration“ vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration. Und die damit ausgezeichnete Aktion war ein interreligiöses Fastenbrechen, das in Kooperation mit dem Beirat für Migration und Integration, der katholischen und evangelischen Kirche sowie den arabischen und türkischen Kulturvereinen umgesetzt wurde. 350 Menschen unterschiedlicher Religionen nahmen an der Veranstaltung im April 2022 teil. 


Menschen der verschiedenen Kulturkreise zusammenbringen, damit sie einander kennenlernen und ihre unterschiedlichen Erfahrungen austauschen können, das ist etwas, das für Ali Alhammouds Verständnis von gelingendem Zusammenleben eine große Rolle spielt. „Wir können uns gegenseitig viel geben, wenn wir die Ängste voreinander abbauen“, ist er sich sicher. Ängste und Vorbehalte gegenüber den neu nach Deutschland gekommen Menschen hat er viele gespürt, seit er 2015 selbst hier angekommen ist. Ein allererster Schritt zum Abbau dieser Ängste und zum gegenseitigen Verständnis sei für ihn das Erlernen der Sprache seines Gastgeberlandes gewesen. „Die Sprache ist der Schlüssel zum Land“, betont er überzeugt. 


Verlassen hatte er seine Heimatstadt in Syrien, so erzählt er, nachdem muslimische Fundamentalisten sie ihrem „Islamischen Staat“ einverleibt hatten und der damals 21-jährige Jurastudent für sich hier keine Zukunft mehr sah. Ein Jahr hatte er dann in der Türkei verbracht. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen dort seien aber für ihn auf Dauer ebenfalls unerträglich gewesen, und er hatte es nach zwei gescheiterten Fluchtversuchen per Schlauchboot mit dem dritten geschafft, über die Ägäis nach Griechenland zu gelangen. Von dort aus machte er sich zu Fuß auf weiter in Richtung Zentraleuropa. In Ungarn wurde er zunächst aufgehalten, bis 2015 die Weiterwanderung Richtung Deutschland möglich wurde. Erste Station hier war hier die Aufnahmeeinrichtung in Ingelheim, von wo ihm schließlich Landau als Aufenthaltsort zugeteilt wurde. Und sobald wie möglich habe er sich darum bemüht, die hiesige Landessprache zu lernen. Seine noch frischen Deutschkenntnisse hat er dann auch gleich in den Dienst einer besseren Kommunikation zwischen ebenfalls neu hier angekommenen Landsleuten und ihren Ansprechpartnern vor allem bei den Behörden gestellt.

 

Ali Alhammoud gründete mit Freunden einen Hilfskreis, um Landsleuten bei der Orientierung beizustehen, ihnen zu helfen, in Verwaltungsangelegenheiten die sprachlichen Hürden zu überwinden, wichtige Informationen etwa der Stadtverwaltung an sie weiterzugeben. „Ganz wichtig wurde das dann in der Corona-Krise - und es kam noch viel mehr Hilfe für den Alltag dazu“, berichtet er. Zum Beispiel Besorgungen erledigen für diejenigen, die es selbst unter den Pandemiebedingungen nicht konnten. Aber auch  Hausaufgabenhilfe konnte via Kommunikationsmedien angeboten werden. „Die Eltern haben uns die Aufgaben übermittelt, wir haben uns dann damit befasst und schließlich ihnen erklärt, wie’s geht, damit sie ihren Kindern helfen können“. In der Krise waren die Möglichkeiten des digitalen Austauschs für die syrische Gemeinschaft in Landau von größter Bedeutung, berichtet Ali Alhammoud weiter, und zentraler Knoten des Hilfnetzwerks war eine Facebook-Gruppe, die er dafür aufgebaut hatte. Diese Gemeinschaft, die sich „Ich bin dein Bruder“ nennt, begrenzte ihre Aktivitäten aber nicht nur auf den Migrantenkreis, sondern behielt auch gesamtgesellschaftliche Probleme im Auge. So nähten rund 15 Mitglieder große Mengen an Mund-Nasen-Bedeckungen, als die noch Mangelware waren, und versorgten damit Institutionen wie das Vinzentius-Krankenhaus und die Sozialstation. Das Engagement brachte ihnen den Dank der Stadt und einen Empfang im Rathaus ein, freut sich Alhammoud, der seit 2019 auch Landaus Beirat für Migration und Integration angehört. Bei der Wahl des Gremiums konnte er die meisten Stimmen unter den Kandidaten verbuchen.


Neben dem ehrenamtlichen Engagement stellte er sich auch den Herausforderungen, sich beruflich eine Existenz aufzubauen, leistete Praktika in verschiedenen Unternehmen, begann eine Friseurausbildung, die sich für ihn allerdings als kein glücklicher Weg herausstellte, wie er sagt. Einen glücklicheren Weg hat er aber offensichtlich jetzt gefunden, und der macht eines seiner größten Talente fruchtbar: die Fähigkeit mit Menschen umzugehen, sich auf sie einzulassen, sie miteinander zu verbinden, sie an seinem Optimismus teilhaben zu lassen. Das bescheinigen ihm auch das Team und die Jugendlichen in der Wohngruppe des Jugendwerks St. Josef, in der er ein halbes Jahr den BFD 27+, also für Menschen über 27 Jahre, leistete. Die Erfahrungen hier haben ihn bestärkt, den „sozialen Weg“ weiter zu gehen. In der Berufsbildenden Schule Südliche Weinstraße am Standort Annweiler absolviert er derzeit die Ausbildung zum Sozialassistenten mit Fachoberschulabschluss, um dann später, wie er es sich wünscht, das Studium der Sozialarbeit aufzunehmen. Begeistert von seinem sozialen Engagement ist auch Nadja Franz, die beim Referat für Freiwilligendienste im Caritasverband Ansprechpartnerin für „Internationale Freiwillige“ ist und ihn bei seinen Bildungstagen betreut hat. „Er hat sich sehr engagiert, aktiv und bereichernd eingebracht“, erinnert sie sich. Und auch viel praktische Hilfestellungen gegeben, wenn es um die in Pandemiezeiten oft notwendige digitale Kommunikation der Teilnehmenden ging. 


Sein Optimismus hilft Ali Alhammoud auch bei der Perspektive auf die ganz private Seite seines Lebens. Acht Jahre habe er nun seine nächste Verwandschaft nicht mehr treffen können. „Ein Bruder ist in dieser Zeit gestorben, zwei Brüder haben geheiratet“. Da keimt bei ihm schon Wehmut mit auf. „Aber es geht immer weiter!“        

 

Text und Bild: Henning Wichers für Caritasverband für die Diözese Speyer