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14. August 2023

„Das ist der Hammer!“

Drohendes Aus für die Bildungsberatung des Caritas-Zentrums Ludwigshafen - Bund stockt die Mittel erst auf und will das Angebot zum Jahresende abschaffen 


Die Nachricht war ein Schock: „Bundesregierung beschließt Ende der Bildungsberatung“. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) teilte Mitte Juli das beabsichtigte Aus zum Jahresende für das von ihm geförderte Programm mit, das seit fast 60 Jahren Menschen aus anderen Ländern dabei unterstützt, in Deutschland ein Studium zu beginnen oder abzuschließen. Seit 2009 gehört das Caritas-Zentrum Ludwigshafen zu den Institutionen, die diese Beratung leisten.
 

Jana Reinhardt-Zech, die diesen Dienst gemeinsam mit drei weiteren Mitarbeitenden schultert, ist, wie sie bekennt, immer noch erschüttert von der Neuigkeit: „Besonders vor dem Hintergrund des krassen Fachkräftemangels.“ Ab 1965 wurde das Programm entwickelt. Heute bietet die „Bildungsberatung Garantiefonds Hochschule (GF-H)“ Unterstützung für junge Zugewanderte auf ihrem Weg zur Hochschulreife, zum Studium oder zur beruflichen Eingliederung im akademischen Bereich. „Die Bildungsberatung steht allen Zugewanderten ohne Altersgrenze offen. Sie informiert über den Erwerb des Hochschulzugangs, die Studienfachwahl, Studienbewerbung und -finanzierung sowie über die Zeugnisbewertung ausländischer Abschlüsse“, erklärt Reinhardt-Zech. „Wir entwickeln mit den Ratsuchenden gemeinsam einen Bildungsplan, unterstützen sie in Bewerbungsverfahren, beraten sie über Möglichkeiten der Ausbildungsfinanzierung. Für die Gruppe der unter 30-jährigen Flüchtlinge und Spätaussiedler können dabei auch Kosten für Lernmaterialien, Fahrt- und Unterkunftskosten übernommen werden und eventuell gibt’s auch Beihilfen zum Lebensunterhalt.“  


Die Prüfung der Voraussetzungen und die Aufnahme in das Programm übernehmen die Beraterinnen und Berater der Anbieter der Trägerinstitutionen. Diese wiederum werden von der Koordinierungsstelle Garantiefonds Hochschulbereich bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit in Düsseldorf betreut. Beraten wird deutschlandweit an 22 festen Standorten und über 100 mobilen Standorten.
 

Ludwigshafen ist einer dieser Standorte, und - angesiedelt beim Jugendmigrationsdienst im dortigen Caritas-Zentrum - übernehmen hier Jana Reinhardt-Zech sowie ihr Berater-Kollege Niels Herbst zusammen mit Sachbearbeiterin Alexandra Göller und Sachbearbeiter Marc Pfeiffer die Aufgaben der Bildungsberatung GF-H. „Wir decken vor allem den Bereich Vorder- und Südpfalz ab, sind aber auch in der Kurpfalz und Baden und im Raum Rhein-Neckar-Karlsruhe tätig“, so Reinhardt-Zech. In Rheinland-Pfalz gibt es einen weiteren Standort in Trier, Baden-Württemberg hat Standorte in Freiburg und Stuttgart. 
 

Der Bedarf an Bildungsberatung sei in den letzten Jahren stetig angestiegen. 2021 wurden für den Standort Ludwigshafen 181 Ratsuchende verzeichnet, 2022 waren es 288. In diesem Jahr wurden im ersten Halbjahr schon 260 gezählt. „Die Herkunftsländer liegen auf der ganzen Welt. Spitzenreiter ist dabei aktuell infolge des Krieges die Ukraine, die seit vergangenem Jahr Nahost-Herkunftsländer abgelöst hat“, so Reinhardt-Zech. Seit 2015 sei Syrien sehr stark vertreten, aber auch Iran, Pakistan oder Afghanistan, woher etwa viele Ortskräfte der Bundeswehr nach Südwestdeutschland gekommen sind. „Bundesweit werden seit 2015 im Jahresschnitt etwa 8000 Ratsuchende beraten, bis Juni dieses Jahres sind es bereits mehr als 5000 gewesen“, listet die Beraterin auf. „Der Bedarf ist immens, und ebenso die Dankbarkeit, die uns die Beratenen zurückmelden, eben dafür, dass wir ihnen tatsächlich die Wege zum akademischen Weiterkommen zeigen können in einem besonders für Menschen aus anderen Ländern komplizierten Anforderungs- und Zulassungsdickicht.“

Das Problem habe übrigens auch das BMFSFJ erkannt und noch in einer im Dezember 2022 erschienen Broschüre betont, wie wichtig die Bildungsberatung hier sei. Bundesministerin Lisa Paus hatte in ihrem Grußwort zu dieser Broschüre betont, dass Bildung ein Grundrecht sei – unabhängig von Herkunft oder Ge-schlecht. Doch, so die Ministerin: „In der Realität sind gleiche Zugangsmöglichkeiten zu Bildungsangeboten nicht selbstverständlich: Besonders für junge Zugewanderte oder geflüchtete Menschen ähnelt der Bildungsweg in Deutschland häufig einem Hürdenlauf. Denn ihre bereits in ihren Heimatländern erworbenen Bildungsabschlüsse werden allzu oft nicht anerkannt. Das heißt, sie müssen ihren Bildungsweg neu beginnen – in einem fremden Bildungssystem, in einer fremden Sprache und oft genug ohne die notwendigen finanziellen Mittel“. 

Das Ministerium hatte zu Beginn dieses Jahres die Mittel von 15 Millionen Euro pro Jahr für das Förderprogramm noch um rund sieben Millionen Euro aufgestockt, wie Reinhardt-Zimmermann bilanziert. „In Ludwigshafen bekam die Bildungsberatung zwei zusätzliche Fachkräfte. Und nun das Aus! Das ist sehr schwer zu verstehen“, sagt die Beraterin, die seit 2020 im Programm arbeitet. „Immer mal wieder Mittelkürzungen, sowas kannten wir ja bei Förderprogrammen. Aber die ersatzlose Streichung eines ganzen Programms, das ist schon ein Hammer“. Schon jetzt sollen keine Neuaufnahmen ins Förderprogramm mehr erfolgen. Ab September solle der Stellenabbau an den Beratungsstandorten beginnen, im kommenden Jahr dann die gesamte Beratung „abgewickelt“ werden. 


Alternativen zur Bildungsberatung GF-H seien rar - schon gar solchen, die kostenlose Zugänge zu entsprechenden Kursen böten. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal: Die Bildungsberatung GF-H ist die einzige unentgeltliche, studienfächerübergreifende, überregionale und unabhängige Studienberatung im gesamten Bundesgebiet“. Das BMFSJ hat zur Begründung der Förderungsstreichung „strikte Sparvorgaben“ angegeben. Diese Rahmenbedingungen hätten „bedauerlicherweise dazu geführt, dass in der Abwägung die Entscheidung zur Einstellung des Garantiefonds Hochschule ab 2024 getroffen werden musste“, wie eine Sprecherin des Ministeriums dem Radiosender NDR-Info gegenüber erklärte.


Noch ist die Streichung nicht endgültig beschlossen, die Entscheidung der Bundesregierung hat noch einige demokratische Hürden zu nehmen. Deshalb wollen die Träger der Bildungsberatung versuchen, in Gesprächen Bundestagspolitikerinnen und -politiker und letztlich auch die Ministerin für das Weiterbestehen des Programms zu gewinnen. Außerdem wurde im Internet eine Petition gestartet, die Unterschriften von Befürwortern des Programms sammelt.
 

Infos zur Bildungsberatung Garantiefonds Hochschule finden sich im Internet unter https://bildungsberatung-gfh.de
Hier gibt es auch die zitierte Broschüre vom Dezember 2022, die zudem Erfahrungsberichte von Menschen enthält, die mit der Bildungsberatung ihren akademischen Weg gegangen sind. Die Petition steht unter
https://weact.campact.de/petitions/rettung-der-bildungsberatung-garantiefonds-hochschule-gf-h


Text: Henning Wiechers für den Caritasverband für die Diözese Speyer
Foto: Adobe Stock pressmaster
Bildunterschrift: Die Bildungsberatung der Caritas ermöglicht jungen Migranten den Zugang zu akademischer Bildung. Jetzt soll das Programm gestrichen werden.