Caritasverband für die Diözese Speyer
Nikolaus-von-Weis-Straße 6
67346 Speyer

Telefon: 06232 / 209-0
info@caritas-speyer.de

10. Juli 2023

Pinselstriche der Freude, der Trauer, des Zorns 

Ausstellung mit Werken von psychisch kranken Künstlern 


Zwölf Bilder aus ebenso vielen Jahren zeigt die Ausstellung „art & weise“ im Café Alternativ, dem Ludwigshafener „Kulturcafé für Jung und Alt“ im Stadtteil Hemshof. Präsentiert werden hier Arbeiten, die im Atelier der Tagesstätte des Caritas-Förderzentrums St. Johannes und St. Michael entstanden sind. Eröffnung der Ausstellung war am Donnerstag, 6. Juli, zu sehen sind die Werke im Café Alternativ bis zum 14. September.


Begrüßt wurden die gut zwei Dutzend Vernissage-Gäste von Lisa Bröstler, Leiterin des Cafés. Die offizielle Eröffnung der Ausstellung übernahm dann die Ludwigshafener Sozialdezernentin Beate Steeg als Hausherrin des unter dem Dach der Stadt geführten Lokals. Sie rief die Anwesenden auf: „Lassen Sie die Farben, die Bilder auf sich wirken. Es sind ganz besondere Menschen, die sie gemacht haben.“

Das bekräftigte Ulrich Thul in seinen Worten zur Einführung. Thul, Sozialarbeiter, Pädagoge und auch selbst bildender Künstler, ist Leiter der Tagesstätte des Caritas-Förderzentrums, das seinen Sitz in der Stadtmitte in direkter Nachbarschaft zum Pfalzbau und zum Wilhelm-Hack-Museum hat. Das Förderzentrum unterstützt Menschen mit psychischer Erkrankung, seelischer Behinderung sowie von Multipler Sklerose und anderen neurologischen Erkrankungen Betroffene. Im offenen Atelier der Tagesstätte vermittelt er den hier aktiven Künstlerinnen und Künstlern Grundlagen des bildnerischen Gestaltens und gibt ihnen Anregungen zu eigenen Werken wie auch zu Gemeinschaftsarbeiten der jeweils aktuellen Gruppe. Auch die Auswahl der Bilder für die Ausstellung aus dem Fundus der Tagesstätte hatte die Gruppe gemeinsam getroffen, wie Thul berichtete. „Die Arbeiten bieten einen eindrucksvollen Überblick über das künstlerische Schaffen der Aussteller. Die Werke verdeutlichen die Individualisten mit besonderer menschlicher und künstlerischer Ausprägung“.


Die Ausstellung an sich wolle Aufmerksamkeit schaffen für Menschen und ihre Werke, die noch in bildnerischer Handarbeit entstanden sind. Denn: „In einer Lebenswelt, die sich unverdrossen und mit Hingabe den neuen Medien verschreibt, in der Bildschirme flüchtige optische Reize liefern, denen sich der Mensch von heute kaum noch entziehen kann, haben es bildnerisch gestaltende Menschen schwer, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen“. Es verdiene daher generell besondere Beachtung, wenn ein Mensch „innerhalb einer Flut digital programmierter Grafiken“ - zur Schaffung seiner Bilder am Malen festhalte. Die künstlerische Betätigung sei ein wichtiges Medium, um Gefühle, Gedanken, Stimmungen und Konflikte zum Ausdruck zu bringen. Und: „Kreativ zu sein bedeutet, eigene Kräfte zu entdecken - Lösungsmöglichkeiten als oft schwierigen Prozess zu verstehen und letztendlich an die eigene Intuition zu glauben“. Wenn Schaffende das Ergebnis ihres Tuns der Öffentlichkeit zeigten, könne das „als Brücke aufgefasst werden, als Sich-Öffnen, Sich-Zeigen, ja sogar Sich-Preisgeben. Es können Lob und Bewunderung, Kritik, Verachtung, Desinteresse folgen“. So machte Thul deutlich, welche Bedeutung eine solche Ausstellung für die Künstlerinnen und Künstler der Tagesstätte hat.

Die Ausstellungsbesucher lud er ein, sich mit den Bildern zu beschäftigen. „Entweder mit dem Fernglas über die Brücke schauen“. Man könne diese Brücke be-treten, sie auch überqueren, man könne sie aber auch distanziert betrachten und bewerten - etwa nach ästhetischen, kognitiven oder kunstgeschichtlichen Kriterien. „Oder aber sich der Innenwelt des Schaffenden nähern, ihn und seine Bilder und Texte als Ganzes betrachten, sich berühren lassen von der Freude, der Trauer oder dem Zorn, den zum Beispiel eine Farbe, ein Pinselstrich, eine Gesamtposition mit Farben und Buchstaben bei ihm auslöst.“ Das Gedicht „Vor der Kunst sind alle gleich“ des Kolumnisten und ehemaligen Mitglieds der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, gab Ulrich Thul den Vernissage-Gästen mit auf den Weg: „Kunst ist offen... Kunst gehört zu den Dingen, die eine Gesellschaft human und offen machen“.

Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung mit jazzigen Saxophonstücken, gespielt von Silke Wolff, die künstlerisch auch als Grafikerin arbeitet und ebenfalls Arbeiten mitgebracht hatte. Sozialdezernentin Beate Steeg ließ es sich nicht nehmen, am Ende der Veranstaltung auf einen Workshop mit dem Künstler Ulrich Thul hinzuweisen: einen Kreativnachmittag zum Thema „Schwarze Tusche auf den Punkt und die Linie gebracht“ am Donnerstag, 17. August, 17 bis 18 Uhr - Teilnahmegebühr 4 Euro. „Ein Gegenpol zu den Farbenergien der Ausstellung.“ Geöffnet ist das Café Alternativ, Rohrlachstraße 76, 67063 Ludwigshafen, mittwochs und donnerstags jeweils von 15 bis 19 Uhr. 


Text und Fotos: Henning Wiechers für den Caritasverband für die Diözese Speyer
Bildunterschrift: 
1 Ulrich Thul führt in die Ausstellung ein, Silke Wolff umrahmt die Vernissage jazzig mit ihrem Saxofon.
2 Teufelsgesichtiger Häuptling von Bernhardt Junker (2019.
3 Dasein - Gemeinschaftswerk von 2011/2012 – (älteste ausgestellte Arbeit).
4 Zwei Arbeiten ohne Titel von Siefke Schmitt.
5 Drei Bilder überm Klavier: Die Werke der Ausstellung wurden harmonisch in die Café-Einrichtung integriert.