Caritasverband für die Diözese Speyer
Nikolaus-von-Weis-Straße 6
67346 Speyer

Telefon: 06232 / 209-0
info@caritas-speyer.de

21. September 2023

“Es drohen massive Personalkürzungen“   

Migrationsberaterinnen von Caritas und Arbeiterwohlfahrt warnen vor Rückschritten bei der Integration von Migranten, wenn der Bund die Mittel zurückfährt
 

Der jährliche "Aktionstag JMD/MBE" soll auf die Jugendmigrationsdienste und die Migrationsberatung für Erwachsene - dafür stehen die beiden Kürzel - hinweisen. Die Träger dieser Angebote nutzten den Tag - dieses Jahr auf den 13. September terminiert - um deren Bedeutung und Wert herauszustellen. So auch das Caritas-Zentrum Ludwigshafen. Es führte Gespräche mit zwei Bundestagsabgeordneten und der Ludwigshafener Sozialdezernentin Beate Steeg. Beherrschendes Thema dabei waren die von der Bundesregierung geplanten drastischen Mittelkürzungen und deren voraussichtliche Folgen. Und ein Appell an die Bundespolitiker, sich für den Erhalt der Förderungen einzusetzen.
 

Die Jugendmigrationsdienste (JMD) richten sich an junge Menschen aus dem Ausland im Alter von zwölf bis 26 Jahren. Die Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) berät Menschen ab 27 Jahren. In diesem Jahr stand zudem ein weiterer Dienst für Menschen mit Migrationshintergrund im Mittelpunkt des Austauschs: die Bildungsberatung Garantiefonds Hochschule (GF-H). Diese unterstützt Zugewanderte dabei, in Deutschland eine Hochschulausbildung aufzunehmen, weiterzuführen, oder im akademischen Umfeld beruflich tätig zu werden. Sie soll nach dem Willen der Bundesregierung gänzlich abgeschafft werden. 


Am Aktionstag trafen sich im Ludwigshafener Caritas-Zentrum auf Einladung von dessen Leiterin Beate Czodrowski die Caritas-Fachberaterinnen in den drei Diensten mit der Ludwigshafener Sozial- und Integrationsdezernentin Beate Steeg und dem Bundestagsabgeordneten Christian Schreider (SPD). Gäste waren hier auch die Arbeiterwohlfahrts-Mitarbeiterinnen Ekaterina Degen und Emily Romanowski, die für ihren Träger in der MBE ebenfalls in Ludwigshafen tätig sind. Einen Tag später gab es eine Videokonferenz in etwas kleinerem Kreis mit dem Bundestagsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen Armin Grau. Der promovierte Mediziner und Neurologie-Professor aus Altrip sitzt für den Wahlkreis Ludwigshafen/Frankenthal im Bundestag. Ebenso der Voll-Jurist und 2015 in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) Ingelheim in der Geflüchteten-Aufnahme tätige Schreider aus Ludwigshafen.


Beate Czodrowski stellte den Politikern jeweils vor, welche Kürzungen bundesweit im Haushalt 2024 bei den drei Diensten vorgesehen seien, die vom Caritas-Zentrum Ludwigshafen im vorderpfälzischen Raum - im Falle der GF-H auch weit darüber hinaus - übernommen werden: 24 Millionen Euro bei der MBE, zehn Millionen Euro bei den JMD und beim GF-H eben das Gesamtbudget von bisher jeweils rund 15 Millionen Euro pro Jahr.


Die Fachberaterinnen gaben Einblicke in ihre Tätigkeit und deren Chancen und Probleme sowie die absehbaren negativen Folgen der Kürzungen. Die sahen sowohl Zarah Hassanpour, Beraterin bei den JMD, wie auch Margareta Peran und die beiden Awo-Fachberaterinnen der MBE vor allem bei den wachsenden Schwierigkeiten, den Beratungsbedarf der jeweiligen Zielgruppen decken zu können. Diese Probleme, den Ratsuchenden effektiv beistehen zu können, werden mit der sich weiter verschlechternden Personalsituation massiv steigen. Und ein weiterer Effekt: „Wir sind hervorragend vernetzt, zum Beispiel mit städtischen Stellen, Schulen, anderen Beratungsträgern - auch das würde bei noch weniger Personal schwächer werden und die Arbeit erschweren“, sagte Zarah Hassanpour. 


Den Fachberaterinnen entschieden zur Seite stellte sich in dem Gespräch die städtische Dezernentin. Beate Steeg würdigte die hervorragende Zusammenarbeit der Dienste mit der Stadt. „Die Beratung unterstützt unser Personal. Wenn das wegbrechen würde, wäre es fatal.“ Sie hob auch hervor, dass die Beratung für die Kunden niederschwelliger sei, als der Besuch von Behörden und Ämtern und gerade durch Rat und Assistenz bei bürokratischen Anforderungen die Wege spürbar geebnet würden. Dies trage erheblich zur Bewältigung der Aufgabenflut für die Verwaltung bei. MBE-Fachberaterin Margareta Peran pflichtete ihr bei: „Je besser Leute beraten werden, desto besser gelingt die Integration“.


Die Folgen einer Einstellung des GF-H schilderte Fachberaterin Jana Reinhardt-Zech. Nicht nur, dass künftig diejenigen, die gern in Deutschland ihren akademischen Weg gehen wollten, im unüberschaubaren Dickicht der Zulassungsvoraussetzungen auf sich allein gestellt seien. Durch den Wegfall der Beratungsstellen zum Ende dieses Jahres würden auch schon diejenigen, die jetzt noch im Förderprogramm seien, nicht mehr bis zum Abschluss begleitet werden können.


Wie wertvoll und wegweisend die beratende Unterstützung sei, betonte die in der Videokonferenz mit MdB Grau hinzugezogene Ukrainerin Anna Illiuk. Diese hat durch die Betreuung durch den GF-H ihren Weg von einem begonnenen Zahnmedizinstudium in der Ukraine über einen Wechsel zur Zulassung zum jetzt beginnenden Studium der Medizinischen Informatik in Mannheim gefunden. „Das Bildungssystem in der Ukraine ist ganz anders als in Deutschland. Jana hat immer alles erklärt. Und wir haben dann die Entscheidung für das Informatikstudium treffen können.“ Illiuk ist seit eineinhalb Jahren in Deutschland und hat mithilfe des GF-H die für die Uni nötigen Sprachkurse schnell absolvieren können. Ohne diese Unterstützung hätte sie den Sprung in eine akademische Ausbildung in Deutschland nicht geschafft. So würde es dann in Zukunft vielen Studierenden aus dem Ausland gehen. „Dies wird sicher nicht dazu beitragen, den Fachkräftemangel in Deutschland zu mindern“, sagte Illiuk. „Das alles hat ja auch einen wirtschaftlichen Aspekt“, betonte Czodrowski. „Eine erfolgreiche Beratung durch JMD, MBE und GF-H mindert die Folgekosten für die Gesellschaft. Eben durch bessere Qualifizierung, mehr Eigenverantwortung und Motivation zur Integration der Beratenen.“ Dies war für alle Fachberaterinnen ein auf der Hand liegendes Argument für den Fortbestand der Angebote und deren unverminderte Förderung.


Die Bundestagsabgeordneten nahmen die Infos sehr interessiert auf, fragten auch immer wieder kritisch nach. Für Christian Schreider, der sich bereits im vergangenen Jahr bei einem Besuch der AWO ausführlich über MBE informieren ließ, war folgende Frage ein sehr wichtiger Punkt: „Welche Wege gibt es, mehr Menschen mit Migrationshintergrund in selbstverantwortliche Arbeit zu bringen, ja idealerweise für soziale Arbeit zu motivieren? Statt auf Dauer in Arbeitslosigkeit zu leben und dementsprechend Leistungen zu beziehen.“ Denn die Akzeptanz von Versorgungsleistungen für Migranten und damit auch für die Förderung von Beratungsleistungen sinke erkennbar in der Bevölkerung.


„Da müssen Konzepte entwickelt werden, sonst haben wir ein riesiges gesellschaftliches Problem“, so Schreider. Das werde sicher auch in den Haushaltsberatungen, die von der unvermeidbaren Schulden-bremse geprägt seien, eine Rolle spielen. Er werde sich gern für den Erhalt der Beratungsdienste einsetzen, deren Wert er anerkenne. „Aber Kürzungen werden nicht zu umgehen sein“. Gute Beratung sei einer der effektivsten Posten für Integration und Motivation der Zielgruppe und damit letztlich für die Verbesserung der Akzeptanz in der Bevölkerung, gaben ihm die Beraterinnen mit auf den Weg.


Auch MdB Armin Grau versprach, noch einmal an die Verantwortlichen in den Ausschüssen zu appellieren, insbesondere die Bildungsberatung GF-H nicht gänzlich einzustellen. Dieser Beratungsdienst hatte in der Videokonferenz mit ihm die Haupt-rolle gespielt, weil Grau sich bereits im vergangenen Spätherbst bei einem Besuch im Caritas-Zentrum hatte ausführlich über JMD und MBE informieren lassen. 
 

Text und Fotos: Henning Wiechers für den Caritasverband für die Diözese Speyer
Bildunterschrift: 
Die Fachberaterinnen informieren den SPD-Bundestagsabgeordneten. (links der Tischecke beginnend im Uhrzeigersinn) Jana Reinhardt-Zech, Emily Romanowski (Awo), Ekaterina Degen (Awo), Jenny Schmidt (Mitarbeiterin MdB), Sozialdezernentin Beate Steeg, MdB Christian Schreider, Caritas-Zentrumsleiterin Beate Czodrowski, Zarah Hassanpour und Margareta Peran.

 

Armin Grau diskutierte am 14. September in einer Videokonferenz mit den Beraterinnen über die Bedeutung der Bildungsberatung für MigrantInnen.