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23. Oktober 2023

„Das Hilfesystem in Deutschland ist komplex“  

Gäste aus dem Nahen Osten auf Exkursion im Caritas-Zentrum Kaiserslautern


Ägypten, Libanon, Syrien – drei Länder, in denen das Christentum eine lange Tradition, aber heute einen schweren Stand hat, standen im Mittelpunkt der missio-Aktion zum Sonntag der Weltmission 2023. Bevor der Monat der Weltmission, der in Deutschland am 1. Oktober in Freiburg eröffnet wurde, am 22. September mit einem Gottesdienst im Speyerer Dom zu Ende ging, hatten Gäste aus dem Nahen Osten die Möglichkeit, im hiesigen Bistum von ihrer Arbeit unter widrigen Umständen zu berichten. 
 

Unter ihnen auch Bischof Thomas Adly Zaky aus Gizeh, Ägypten, sein Sekretär Abouna Pious Farag und Pater Miguel Ángel Condo Soto SDB aus Damaskus, Syrien. Am Freitag, den 20. Oktober, konnten sie, begleitet von einer missio-Gruppe aus München und Speyer, Einblicke in das Caritas-Zentrum Kaiserslautern und seine Angebote gewinnen.


Nach der Vorstellung des Projektes „Integrationskurse für Frauen mit begleitender Kinderbetreuung“ im Mehrgenerationenhaus am Vormittag und einer Führung durch das Caritas-Förderzentrum für wohnungslose Menschen St. Christophorus ging es zum 2022 eröffneten Caritas-Quartiersbüro „Slevfisch“ im Stadtteil Nordwest. „Wir freuen uns, an der dritten Station dieses Tages eine Einrichtung besonderen Formats kennenzulernen“, sagte Dr. Michael Krischer vom Internationalen Katholischen Hilfswerk in München und bedankte sich für die Einladung.  


„Es ist wichtig, dass wir hier vor Ort sind. Das Viertel, in dem 8500 Menschen leben, hat mit vielen Herausforderungen zu kämpfen“, erklärte Beate Schmitt, Leiterin des Caritas-Kaiserslautern. „Die soziale Struktur ist gemischt. Teils herrscht große soziale Not, vor allem in der nördlichen Gegend um die Königsberger Straße auf dem Fischerrück sowie in der Region um die Slevogtstraße, in der unser Quartiersbüro ist. Dazu kommen Alkohol, Drogen und häusliche Gewalt.“ Kriminalität spiele eine Rolle. „Der Migrantenanteil ist hoch. Hier leben Menschen aus Rumänien, Bulgarien, der Türkei, Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, Somalia.“ Viele Familien hätten massive Probleme, es herrsche vielfach große Armut. Für sie will das Caritas-Quartiersbüro „Slevfisch“ eine Anlaufstelle sein.


 „Wir laden die Menschen ein, zu uns zu kommen. Das war anfangs nicht leicht, aber mittlerweile suchen uns immer mehr auf“, berichtete Quartiersmanagerin Jeannine Uchej. „Unsere Angebote richten sich an alle Generationen, unabhängig von Herkunft und Religion. Wir begegnen den Menschen auf Augenhöhe, sind An-laufstelle bei den unterschiedlichsten Fragen und Problemen. Mal geht es um den Antrag bei einer Behörde, mal um eine Räumungsklage oder weil kein Geld mehr da ist. Andere können ein Rezept vom Arzt nicht entziffern, denn viele sind Analphabeten. Manche kommen nur auf eine Tasse Kaffee und freuen sich über ein Gespräch. Kinder, die nicht allein sein wollen, spielen eine Weile bei uns.“ 


Um die missliche Situation vieler Menschen weiß auch Philipp Utzinger, Sozialarbeiter in der Caritas-Flüchtlingsberatung auf dem Fischerrück. „Ob Jobcenter, Schule oder Kindergarten, egal worum es geht, wir versuchen, den Leuten zu helfen.“


Um den Menschen etwas unter die Arme zu greifen, gibt es im „Slevfisch“ nicht nur eine Kleiderecke, Bücher, Spiele und Dinge für den Haushalt, sondern auch einen Kühlschrank, der mit gespendeten Lebensmitteln gefüllt ist. „Da kann sich jeder bedienen, allerdings achtet jemand darauf, dass nicht einer alles mitnimmt“, so die Quartiersmanagerin. All die Angebote seien ohne die Hilfe Ehrenamtlicher nicht möglich, betonte Beate Schmitt. Eine von ihnen ist Michaela Olajiga. Sie kümmert sich nicht nur um Spenden, sondern leistet auch Seelsorge, besonders wenn es um Frauen geht, die von häuslicher Gewalt betroffen sind.


Für die Vertreter aus dem Nahen Osten, die sich in ihrer Heimat ebenfalls für die Armen und Schwachen einsetzen, waren die Informationen äußerst interessant. Sie zeigten sich beeindruckt von den Angeboten des Caritas-Zentrums, mussten aber auch feststellen, dass auch das Leben in Deutschland viele Probleme mit sich bringen kann. „Neunzig Prozent der jungen Leute möchten gern unser Land verlassen. Sie träumen von einer besseren Zukunft, zum Beispiel in Deutschland“, sagte der syrische Salesianer-Pater Miguel Ángel Condo Soto. „Es ist wichtig, sie darüber aufzuklären, dass es auch hier nicht leicht ist“, legte ihm Beate Schmitt ans Herz. „Das Leben in Deutschland ist kompliziert. Alles dreht sich ums Geld. Aber ohne Deutschkenntnisse ist kaum ein Job zu bekommen. Das ist ein großes Problem. Junge Flüchtlingsmänner sind oft unglücklich, weil sie an dem komplexen System scheitern und vieles nicht gelingt. Sie haben sich meist nur auf die Reise vorbereitet, sich aber nicht informiert, was sie in einem anderen Land erwartet.“


Trotz aller Schwierigkeiten gebe es auch positive Beispiele, leitete Schmitt zu dem Stadtteilfest im September über, dessen Ausrichtung federführend in den Händen des Quartierbüros gelegen hat. „Es war ein interkulturelles Fest, zu dem sehr viele Menschen unterschiedlicher Nationen gekommen sind und Seite an Seite gefeiert haben. Das zeigt uns, dass auch unsere Nachbarschaftsarbeit im Quartier bereits erste Früchte trägt.“
 

Text und Fotos: Friederike Jung
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