Caritasverband für die Diözese Speyer
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15. September 2023

„Die Herausforderungen der Zukunft sind enorm“   

Caritasverbandsvorsitzender Vinzenz du Bellier und Caritasdirektorin Barbara Aßmann berichten auf Vertreterversammlung von aktuellen Herausforderungen und politischen Entwicklungen - Vorstand und Caritasrat einstimmig entlastet  


Rund 60 Vertreter*innen der Mitglieder des Caritasverbandes für die Diözese Speyer waren am Freitag, 15. September, der Einladung zur Vertreterversammlung in der Zentrale des Caritasverbandes gefolgt. Vorstand und Caritasrat wurden einstimmig entlastet. Die Versammlung stimmte zudem dem Jahresabschluss 2022 zu. 
 

Generalvikar Markus Magin sprach zu Beginn über die Aufgabe der Caritas in der Kirche und der Gesellschaft: „Ein liebender Blick ist die Grundberufung der Kirche. Wenn er gelingt, ist die Caritas im Spiel.“ Caritas sei der Teil der Kirche, der am anerkanntesten in der Gesellschaft ist, in der die Kirche selbst einen starken Glaubwürdigkeitsverlust erfahren habe. „In den Einrichtungen und Diensten der Caritas wird die Liebe Gottes durch die Zuwendung der Mitarbeitenden erfahrbar. Dort, wo Caritas nicht nur ein Name, sondern auch Programm ist, erleben die Menschen den liebenden Blick Gottes.“ Dafür sprach er den Mitarbeitenden der Caritas seinen Dank aus.
 

Der Caritasvorsitzende Vinzenz du Bellier begann der Bericht des Vorstandes mit den Herausforderungen, die künftig im Bereich CSR (Corporate Social Responsibility = Soziale Verantwortung von Unternehmen) und Nachhaltigkeit auf alle Unternehmen zukommen, die mehr als 250 Mitarbeitende, mehr als 20 Millionen Euro Bilanzsumme oder mehr als 40 Millionen Euro Umsatzerlöse erzielen. „Diese sind ab dem Jahr 2025 zum Thema Nachhaltigkeit berichtspflichtig.“ Deshalb habe man im Caritasverband zum 1. Mai dieses Jahres die Stabsstelle CSR und Nachhaltigkeit gegründet und mit Christina Loch besetzt. Die Schritte hin zum ersten Bericht skizzierte du Bellier: „Zunächst haben wir in diesem Jahr mit externer Unterstützung eine so genannte Wesentlichkeitsanalyse erstellt und daraus unsere Nachhaltigkeitsziele definiert.“ Im kommenden Jahr würden dann Leistungsindikatoren erhoben und 2025 auf dieser Basis ein erster Textbericht für das Jahr 2024 erstellt. „Auf dessen Grundlage können wir dann 2026 den geforderten ersten Nachhaltigkeitsbericht für 2025 vorlegen“, blickt der Vorsitzende optimistisch in die Zukunft. 
 

Dass der Caritasverband für die Diözese Speyer hier im Vergleich zu allen anderen 100 Unternehmen im Raum Mainz, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Solidaris berät, prüft und begleitet, ganz weit vorne ist, bestätigte auch ausdrücklich Dirk Riesenbeck-Müller von Solidaris später bei seinem Prüfbericht. „Ich kenne kein anderes Unternehmen, das sich hier so konsequent und professionell aufgestellt hat, wie Sie“, sagte er. „Die meisten Unternehmen machen sich nicht bewusst, was da an Aufwand für Datenerhebung und -bewertung auf sie zukommt. Sie tragen hier das gelbe Trikot“, lobte er.
 

Der Sparprozess im Bistum Speyer betrifft auch den Haushalt des Caritasverbandes. Du Bellier skizzierte, wie dieser sich auswirken wird: „Unser Zuschuss aus Kirchensteuermitteln von 12,1 Millionen Euro in 2024 wird sich reduzieren auf 10,4 Millionen Euro in 2030. Damit sind – unter anderem – die Personalkostensteigerungen nicht mehr zu bewältigen.“ Diese Reduktion könne entweder kompensiert werden durch höhere Landes- und Bundeszuschüsse, durch Veränderungen in den spitzenverbandlichen Strukturen oder durch Veränderungen der Angebote für die Kundinnen. 
 

Die Caritasdirektorin Barbara Aßmann gab in ihrem Bericht einen Überblick über die aktuellen sozialpolitischen Herausforderungen in der Kinder- und Jugendhilfe, der Wohnungslosenhilfe und der Allgemeinen Sozialberatung: „In der Kinder- und Jugendhilfe konnten wir in Umsetzung des Kita-Gesetzes in unterschiedlichen Gebietskörperschaften die Kita-Sozialarbeit implementieren.“  Das bedeute, dass sowohl Eltern in besonderen Lebenslagen als auch pädagogischen Personal niederschwellig durch Kita-Sozialarbeiterinnen zu Hilfemöglichkeiten beraten wer-den. Außerdem habe der Verband mithilfe von Spenden von Caritas international, dem internationalen Hilfswerk der Caritas, Hilfen für aus der Ukraine geflüchtete Familien und traumatisierte Kinder und Jugendliche entwickeln können. „Auch in der Wohnungslosenhilfe konnten wir unsere ambulanten Hilfen erweitern, so dass wir jetzt noch besser Menschen ohne Wohnung beraten und begleiten können in ein Leben mit eigener Wohnung, mit Ausbildung und Erwerbstätigkeit.
 

Da die Anfragen nach Beratung und Unterstützung zum Lebensunterhalt infolge der Inflation stark zugenommen haben, habe der Bischof aus den zusätzlichen Kirchensteuereinnahmen durch die Energiepreispauschale die so genannte Winterhilfe ins Leben gerufen. „Unsere Beraterinnen in der Allgemeinden Sozialberatung haben so vielen Menschen zu Sozialleistungen verhelfen können. Wir werden auch jetzt noch in 2023 und im kommenden Jahr diese Winterhilfe einsetzen, die auch Hilfsprojekte der Pfarreien für bedürftige Menschen unterstützt.“ 


Politische Herausforderungen seien derzeit vor allem die geplante Krankenhaus-Reform, die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, die Umsetzung des neuen Kita-Gesetzes und die Verhandlung des Rahmenvertrages für die Wohnungslosenhilfe. „Für alle Bereiche gilt: die Versorgung der Betroffenen muss gewährleistet werden, das Personal braucht sichere Bedingungen und die Träger brauchen verlässliche Grundlagen für die Erfüllung ihrer Aufgaben.“ In allen Bereichen seien die Verhandlungen für die Leistungserbringer sehr herausfordernd. „Die Themen zeigen, wie wichtig unser sozialpolitisches Lobbying für unsere Dienste und Einrichtungen ist. Und wenn Sie die Debatten um den Bundeshaushalt verfolgen, können Sie sich sicherlich vorstellen, dass die geplanten Sparmaßnahmen in den unterschiedlichen Ministerien uns stark fordern in unserer Lobbyarbeit“, so Aßmann. 
 

Als Herausforderung der besonderen Art bezeichnete Aßmann die Frage der Zukunft der ökumenischen Sozialstationen im Bistum Speyer: „Die ambulante Pflege ist mittlerweile ein hart umkämpfter Markt. Jeder Träger muss sich gut aufstellen, den Markt beobachten und sein Profil schärfen.“ Von unrentablen Leistungen müsse man sich trennen und sein Personal optimal einsetzen. Sie kündigte an, dass sie gemeinsam mit dem Landesdiakonie-Pfarrer Albrecht Bähr die Situation der Sozialstationen analysieren werde: „Wir werden prüfen, ob die Strukturen, das Management und die Leistungserbringung auf Zukunftsfähigkeit angelegt sind.“ Zu diesem Tagesordnungspunkt gab es eine lebhafte Diskussion. Denn die Zukunft der Sozialstationen und ihre Strukturen mit oft ehrenamtlichen Vorständen und die Finanzierung und Unterstützung durch Elisabethen -und Krankenpflegevereine betreffen und beschäftigen viele Pfarreien. 
 

Der Vorsitzende des Caritasrates Theo Wieder griff diese Diskussion in seinem Bericht des Caritasrates auf und sagte: „Auch in anderen Bereichen gibt es Grund zur Sorge. Die Weltlage bleibt schwierig, die Herausforderungen sind enorm. Wenn uns die Bewältigung nicht gelingt, wird sich auch der Caritasverband von Einrichtungen und Diensten trennen müssen, da dürfen wir uns nichts vormachen.“ Auch er hob – wie der Generalvikar – hervor, dass es die Caritas sei, die den Vertrauensverlust der Menschen in die Kirche auffangen könne. „Die Menschen in schwierigen Lebenslagen benötigen Zuspruch, Hilfe, Nächstenliebe, Zuneigung und Trost. Aber was heißt das für die Caritas in Zukunft?“ Wenn die Bewältigung der Personal- und Sachkostensteigerungen nicht gelinge, müsse sich die Caritas von Angeboten trennen. Steigende Ausgaben bei sinkenden Ein-nahmen führten unweigerlich zu einer finanziellen Schere. Daraus ergebe sich das Dilemma, für die Menschen da sein zu wollen bei gleichzeitig wirtschaftlichen Zwängen. „Die Aufgabe eines Aufsichtsrates ist, wie der Name schon sagte, die Aufsicht. Und zu deren Aufgabe und Verantwortung gehört, darüber zu wachen, was sich ein Unternehmen noch leisten kann.“ 
 

Der Bericht des Wirtschaftsprüfers der Solidaris, Dirk Riesenbeck-Müller, fiel positiv aus. „Alle gesetzlich geforderten Rückstellungen wurden gebildet. Die Liquidität ist nicht üppig, aber ausreichend vorhanden. Das Jahresergebnis ergibt bei dem Herausrechnen von Sondereinflüssen eine schwarze Null.“ Der Caritasrat empfahl der Vertreterversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses. Die Versammlung stimmte dem einstimmig zu. Auch der Vorstand und der Caritasrat wurden einstimmig entlastet. 
 

Text und Foto: Melanie Müller von Klingspor
Bildunterschrift: Die Caritasdirektorin Barbara Aßmann stellte den neuen Geschäftsbericht für das Jahr 2022/2023 vor.